Bei dem Begriff Selfcare fallen einem spontan Wellness, leckeres Essen, Rückzug oder irgendeine Art der Geschenke an sich selbst ein. Eine Zuflucht aus einem stressigen Alltag.
Das Stück Kuchen zu essen, sei Selbstliebe, sich mal gehen lassen, sei Selbstliebe, heute nichts mehr machen, sei Selbstliebe.
Das sind alles vorübergehende Pflaster für ein viel größeres Problem – ein Leben, aus dem man Zuflucht braucht, weil es in seiner Ganzheit nicht zu tragen ist.
Das gegenwärtige Verständnis von Selfcare ist eigentlich nur eine neue Definition von Disziplinlosigkeit – alles in sich reinstopfen, nach allem gieren, und dann komatös auf dem Sofa liegen, gönn dir. Und dann bei der Selbstliebe Maschinerie einsteigen, denn nachdem man länger ein disziplinloses Leben geführt hat, fühlt man sich nicht so geil, weder im eigenen Körper, noch im Geist, und jetzt sucht man nach etwas, das einem das Gefühl gibt, alles ist feini so. Aber manchmal ist Selbstliebe auch radikale Ehrlichkeit. Sich nicht einreden, dass alles flauschig ist, sondern einfach mal den Arsch hochkriegen.
Geist und Körper florieren beide in der Versagung, in der Forderung, über sich selbst hinaus zu wachsen. Der Verfall von Allem stammt aus dem Überfluss. Ein interessantes Buch dazu ist Affluenza von Oliver James. Denn umso mehr du dir gönnst, desto mehr möchtest du dir gönnen, im materiellen Sinne und im geistigen, du brauchst immer einen neuen Fix.
Meine persönliche Selfcare ist Disziplin. Ich gehe jeden Tag auf die Matte, auch wenn ich keine Lust habe, weil ich in 40 Jahren noch agil sein möchte um meine Freiheit zu lieben. Ich esse das Stück Kuchen NICHT, weil mein Körper langfristig gar nichts von der augenblicklichen Befriedigung meiner Geschmacksknospen hat. Ich kaufe mir nicht ständig irgendein neues Etwas, ich gehe lieber raus und sonne meine Seele in der Natur, und finde Wunder in diesem Universum. Ich arbeite jeden Tag hart und diszipliniert an meinem Job, denn von ‚queening‘, ‚nur arbeiten wenn man es fühlt‘ und ‚nach Inspiration suchend an die Decke starrend‘ hat noch keiner was gewonnen. Und ich ehre und feiere all diejenigen die es mit harter Disziplin zu etwas gebracht haben. Ich ehre es einen Plan durchzuziehen, um ein Leben zu schaffen, das nicht von Aussen gut aussieht, sondern sich von innen fantastisch anfühlt. Ich ehre den Marathonläufer, der jeden Tag gerannt ist. Denn das Leben ist eine Art Marathon (und tatsächlich kann ich jedem empfehlen, einmal einen Marathon zu laufen, nicht wegen dem Ziel, sondern wegen der wertvollen Disziplin, die man braucht, um überhaupt ans Ziel zu denken.)
Vielleicht helfen dir diese Gedanken, vielleicht geben sie dir den Anstoß, ein Leben zu schaffen, von dem du keine Auszeit brauchst.
Bist du unzufrieden? Geh und hilf anderen.
Bist du unglücklich? Geh raus und renne, als wenn dein Leben davon abhängt, denn das tut es.
Bist du ständig finanziell unsicher? Hör auf Sachen zu kaufen.
Bist du unerfüllt in deinem Job? Mach etwas anderes. Nimm in Kauf, dass du vielleicht an der Existenzgrenze leben musst, bis sich vielleicht irgendwann etwas auszahlt.
Bist du ständig gestresst? Geh in den Wald.
Hat sich dein Traum nicht erfüllt und du bist bitter? Suche dir einen Neuen.
Das heutige Selfcare Konzept schlägt ein Leben in Watte gepackt vor, mit flauschigen Einheiten der konsumfreudigen Selbstliebe um die Leere zu füllen – radikale Selbstliebe bedeutet radikale Ehrlichkeit und einen Plan unzusetzen, der dein Leben verändert und lebenswert macht, einen disziplinierten Tag nach dem anderen. Niemand kann den Weg für dich gehen oder dir den Plan machen, das musst du selbst tun. Da kommt auch Yoga ins Spiel: indem du Kontrolle über deinen Körper lernst, lernst du auch Kontrolle über dein Leben.
Nachtrag beim Durchlesen: mir ist bewusst geworden, dass das ein bisschen hart klingt und das soll es nicht. Ich bin nur der festen Überzeugung, dass eine allgemeine Unzufriedenheit und ein dumpfes Gefühl der Leere oder des Unglücklichseins, nicht mit einem Selfcare Pflaster aus Badewanne, Massage, Brownie und Shopping überklebt werden sollte, sondern es viel wertvoller ist, an der Wurzel des Problems zu arbeiten. Da helfen Yoga und Meditation ungemein.
Licht & Liebe für euch ♥️